Freitag, 31.03.2023

Der "Hammer" Magenbypass

Mit den Adipositasoperationen ist es ein wenig ähnlich wie mit einem guten Gericht, das landauf landab von vielen verschiedenen Köchen hergestellt und immer etwas anders zubereitet wird. So gibt es auch beim Magenbypass eine große Variationsbreite von Vorgehensweisen.

Viele Köche, aber auch Operateure, meinen, selbst eine besonders gute Variante zu produzieren. Beim Koch ist das einfach zu überprüfen. Wenn es besonders gut ist, kommen die Gäste wieder. Ein Magenbypass sollte nur einmal angelegt werden und es ist nicht so leicht zu entscheiden, ob das Ergebnis dem Vergleich mit anderen Zentren und vielleicht auch abweichenden Methoden Stand halten kann.

Es gibt aber zumindest Hinweise darauf, wie gut das eigene Rezept funktioniert, wie ich in meinem vorigen Blogbeitrag berichtet habe.

Heute will ich erklären, was wir beim Magenbypass anders machen und von welchen Maßnahmen wir uns eine besonders gute Wirkung erhoffen. Dazu muss man wissen, welche Komponenten denn überhaupt variabel sind und welche quasi von der Natur festgelegt sind. Die meisten sind variabel.

Die Größe und Form des Essmagens
Hier gibt es einige Vermutungen. Ein zu großer Essmagen erlaubt zu große Mahlzeiten und produziert außerdem in den manchen Fällen so viel Säure, dass sie den angeschlossenen Dünndarm angreift. Ein winzig kleiner Essmagen erscheint vielleicht zunächst hilfreich für den Gewichtsverlust, aber es kann auch sein, dass er sich so schnell mit Nahrung füllt, dass die Nahtverbindung zum Dünndarm stärker gedehnt wird und dann eine raschere Entleerung des Magens erlaubt mit der Folge eines früher wieder einsetzenden Hungergefühls. Es scheint gesichert zu sein, dass ein schmaler, eher etwas längerer Essmagen besser wirkt als ein eher kugeliger, da der sich leichter wieder dehnt.

Die von uns gebildeten Essmägen sind im ungedehnten Zustand ca. 50 ccm  groß, was wenig erscheint, sich aber über die Jahre gut bewährt hat. Sichere Erkenntnisse liegen aber nicht vor. Wir sind zufrieden damit, dass viele Patienten drei Hauptmahlzeiten einnehmen und Zwischenmahlzeiten vermeiden können. Die Größe des Essmagens steht aber auch in Zusammenhang mit

Weite der Nahtverbindung zwischen Essmagen und Darm
Grundsätzlich gibt lebendes Gewebe auf Druck immer nach. Das kann jedoch in unterschiedlichem Maße der Fall sein. Bei Nahtverbindungen am Magen-Darm-Trakt  ist die Stärke der Narbe, die sich dabei ausbildet, entscheidend. 97% der Adipositaszentren stellen die Nahtverbindung mit Hilfe eines Klammernahtgerätes her. Die Verbindungen sind dann aber in der Regel schon zu Beginn mindestens 2 cm weit und dehnen sich auch relativ leicht, da nur ein sehr zarter Narbenring entsteht. Wir stellen diese Verbindung durch eine konventionelle Naht von Hand in laparoskopischer Technik her. Dies erfordert ein erhebliches Maß an Übung, die wir im Simulatortraining erworben haben. Die dabei entstehenden Verbindungen sind sehr fest, haben die anfangs die Weite eines Bleistifts und dehnen sich nur selten über 2 cm Weite.

Die Länge des ausgeschalteten Darmanteils
Beim Magenbypass wird ein Teilstück des Magens ganz aus der Nahrungspassage ausgeschlossen (Gallen-Bauchspeicheldrüsenschlinge), ein anderes Teilstück wird von der Nahrung passiert, aber nicht von Verdauungssäften (Nahrungsschlinge). Die beiden Teile zusammen machen typischerweise 2 m Länge aus. Erst an der Stelle, an der die beiden Schlingen zusammengeführt sind, beginnt im eigentlichen Sinne die Verdauung. Somit fehlen dem Darm dafür nach einer Magenbypass-Operation ungefähr 2 m Länge, und das macht sich im Gewicht bemerkbar. Die Länge der beiden beschriebenen Darmanteile ist aber nicht genau vorgeschrieben. Klassischerweise ist die Nahrungsschlinge 1,5 m lang und die Gallen- Bauchspeicheldrüsenschlinge 0,5 m lang. Wir sind jedoch zu der Auffassung gelangt, dass man dieses Verhältnis umdrehen sollte und 1,5 m Darmlänge gänzlich aus der Darmpassage ausschalten sollte. Diese Veränderung hat nach unserer Analyse einen wesentlichen Anteil an dem guten Erfolg der im Westfälischen Adipositas Zentrum durchgeführten Operationen. Auf diese Art und Weise können nämlich 1,5 m Darmlänge gänzlich davon ausgeschlossen werden, Zuckermoleküle in das Blut aufzunehmen, während dies andernfalls nur auf einer Strecke von 0,5 m der Fall ist. Wenn man Vergleiche unserer Vorgehensweise mit anderen Zentren über mehrere Jahre unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, so stellt man fest, dass in den anderen Zentren die Länge des Gallen-Bauchspeicheldrüsenschenkels zu Lasten des Nahrungsschenkels über die Jahre durchsetzt, während sie aber bei uns bereits seit 2015 der Standard ist.  

Die verschiedenen Faktoren, die ich hier beschrieben habe, führen in der Summe dazu, dass der Gewichtsverlust unserer Patienten um 10 bis 15% größer ist als in anderen Zentren, worauf wir recht stolz sind. In der Fachliteratur bestätigt ist dabei durch mehrere Untersuchungen ausländischer großer Adipositaszentren der Einfluss der längeren Gallen-Bauchspeicheldrüsenschlinge. Man darf aber nicht vergessen, dass die Patienten letztendlich kein Kunstwerk sind, das man gestaltet und das dann irgendwann fertig ist, sondern dass die Behandlung ein Prozess ist, an dem viele beteiligt sind, zuallererst der Patient, dann der Arzt und dann noch zahlreiche andere, so dass vielleicht im Endeffekt die Chemie des ganzen Miteinander auch entscheidend zum Erfolg beiträgt. Dazu muss aber die möglichst sorgfältige Operation die Voraussetzungen schaffen.