Montag, 17.04.2023

Schlauchmagen ist nicht gleich Schlauchmagen

Wir haben darüber berichtet, wieviel Spielraum und wieviel Variationsbreite bei der Anlage eines Magenbypass bestehen kann. Da beim Schlauchmagen einfach nur an einem Kalibrierungsschlauch entlang ein Stück vom Magen abgeschnitten wird, sollte man meinen, dass diese Dinge dabei keine Rolle spielen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Ein bedeutender amerikanischer Adipositaschirurg prägte einmal den Spruch "The sleeve resection is an easy operation, but difficult to do". Auf Deutsch: "Der Schlauchmagen ist eine einfache Operation, die aber schwierig durchzuführen ist".

Was soll das heißen? Man muss sich vergegenwärtigen, dass ein Schlauchmagen eine irreversible Verkleinerung des Magens darstellt, die korrigierbar nur insofern ist, als man ihn noch enger machen kann, wenn er zu weit ist, aber nicht mehr weiter, wenn er zu eng ist. Ein zu enger Schlauch aber lässt die Nahrung nicht passieren und ist manchmal sogar für Flüssigkeit nicht durchgängig. Die einzige Strategie, die unter solchen Umständen bleibt, ist eine Umwandlung in einen Bypass, die dann unter dem Druck der Ernährungsschwierigkeiten erfolgen muss. Das kann aber unter Umständen gar nicht möglich sein, weil der Patient zu groß, zu schwer oder im Inneren seines Bauchraumes zu fettreich ist, um diese Operation zu erlauben. Dann kann man nur monatelang eine Ernährung über die Vene durchführen, um nach entsprechendem Gewichtsverlust die Korrekturoperation durchzuführen.

Was liegt also näher als bei der Bildung eines Schlauchmagens lieber etwas mehr Magenweite zu lassen und auf keinen Fall das Risiko einer Enge einzugehen. Hinzu kommen noch andere denkbare Probleme wie Verdrehung des Magens und zurückgelassene Aussackungen am oberen Ende des Magens, die das Verfahren verkomplizieren, so dass es im Endeffekt nicht so einfach ist für die Patienten einen wirklich guten und dauerhaften Erfolg zu erreichen.

Auch wir haben selbstverständlich schon Schwierigkeiten mit Schlauchmägen erlebt. Wäre das nicht so, dann läge das in erster Linie daran, dass wir noch nicht genug operiert hätten. Wir haben aber schon vor Jahren eine Strategie entwickelt um dieses Problem – zu weiter Schlauch und ungenügende Wirkung, zu enger Schlauch und Unfähigkeit zu trinken – zu umgehen.

Wir bilden zunächst einen Schlauch, der ruhig etwas weit sein darf, auf keinen Fall aber eine Enge haben darf. Nach Fertigstellung wird der Schlauch auf dem OP-Tisch in Narkose  gastroskopisch, also durch Magenspiegelung, untersucht. Dabei wird er mit Luft aufgebläht und man kann gut beurteilen, wie weit er sich ausdehnen lässt. Dann wird vom oberen Ende der Klammernahtreihe ausgehend eine einstülpende Naht gesetzt, die die endgültige Weite des Schlauches bestimmt und in dieser Hinsicht ein recht forsches Vorgehen erlaubt. Wenn dann nämlich tatsächlich die Nahrungspassage zu stark eingeschränkt sein sollte, muss man zwar eine weitere Operation durchführen, aber dabei wird nur der Nahtfaden durchgeschnitten und der Schlauch etwas gedehnt, während komplexe Umwandlungen entfallen.

Durch die Magenspiegelung während der Operation kann auch sehr sicher ausgeschlossen werden,  dass am oberen Ende des Schlauches noch eine Aussackung besteht und nicht mit entfernt wird. Bei schwierigen Verhältnissen wird auch der letzte Schritt der Klammernahtreihe schon unter zusätzlicher innerer Sicht mit dem Gastroskop durchgeführt.

Man kann dieses Problem der Schlauchweite auch in grober Weise mathematisch beschreiben, wobei natürlich die etwas unregelmäßige Form des Magens nicht berücksichtigt werden kann. Dennoch lässt sich ahnen, um was es geht.

Ist man in der Lage, den Schlauch so eng zu machen, dass der Durchmesser nur 1 cm ist, wenn der Schlauch nicht gedehnt ist, da ergibt sich für den Querschnitt die Berechnung

0,52 x π  = 0,7525 cm2

Geht man davon aus, dass der Schlauchmagen auf das Doppelte Seines Durchmessers gedehnt werden kann,  dann sind wir schon bei einem wesentlich größeren Querschnitt und damit Fassungsvermögen des Magens.

1 x π = 3,1 cm2

Legt man nun von vornherein einen Durchmesser von 2 cm zu Grunde, dann gilt die zweite Berechnung für diesen Schlauchmagen für den Querschnitt ohne Dehnung. Berechnet man das gleiche Ausmaß von Dehnbarkeit auf das Doppelte, so lautet die Rechnung

22 x π = 12,4 cm2

Wenn man eine Länge des Schlauchmagens von 20 cm zu Grunde legt sind die jeweiligen Volumina 15,5 cm3, 62 cm3 und 248 cm3. Dies sind wohlgemerkt Werte, die vor jeder Erweiterung des Schlauches, die in jedem Fall mit der Zeit eintreten werden, gelten. Die Tücke liegt eben in der Tatsache, dass der Radius in der zweiten Potenz in die Rechnung eingeht und daher ein verdoppelter Radius ein Vierfaches an Volumen des Schlauchmagens bedeutet, der dadurch leicht seine Wirksamkeit verliert. Man kann davon ausgehen, dass ein Schlauchmagen, der in frischem postoperativen Zustand 250 cm3 fasst, nach einem Jahr wieder eine normale Portionsgröße aufnimmt.

Diese Bemühungen um den maximalen Erfolg des Schlauchmagens bei gleichzeitiger maximaler Sicherheit vor einer nicht passierbaren Enge mit all ihren Problemen zahlen sich für unsere Patienten aus. Umwandlungen und Nachoperationen eines Schlauchmagens wegen eines unzureichenden Gewichtverlustes sind Raritäten geworden. Korrekturoperationen wegen Engstellungen hat es in den letzten 5 Jahren dreimal gegeben. In allen drei Fällen konnte der Eingriff laparoskopisch, also ohne großen Bauchschnitt durchgeführt werden und die Beschwerden der Patienten konnten dadurch vollständig aufgehoben werden.  

Alle Patienten werden in unserem Zentrum postoperativ geröntgt. Diese Untersuchung ist gar nicht so wichtig, um etwaige Undichtigkeiten zu bemerken. Das würde sich auch am gesamten Zustand des Patienten erkennen lassen. Es ist aber wichtig, um später den Ausgangsbefund des Magens zu kennen, falls es zu einer Wiederzunahme kommt. Dies wird häufig dem Patienten angelastet, der den Schlauch mit zu viel Nahrung belastet habe. Wenn dann kein Röntgenbild vorliegt, das den ursprünglichen Zustand des Magens zeigt, kann sich der Patient gegen eine solche Schuldzuweisung kaum wehren.  Ein gut angelegter Schlauchmagen dilatiert sich nicht so stark, dass der Patient mehr als ein Viertel des abgenommenen Gewichts wieder zunimmt.