Mir gefällt, wie Herr Calmund mit seinem Gewichtsproblem und der Operation umgeht. Er erzählt, wie die konservativen Versuche das Gewicht zu reduzieren allesamt gescheitert sind. Dabei dürfte er prominente Unterstützer gehabt haben – einmal wird Joey Kelly als Coach erwähnt. Und dennoch hat es nie auf Dauer geklappt. Das dürfte denjenigen, die ohne solch kompetente Berater versuchen müssen das Gewicht zu reduzieren, einige Erleichterung verschaffen, wenn auch bei ihnen der Gewichtsverlust immer wieder vom JoJo-Effekt gefolgt ist.
“Calli“ berichtet dann ganz lapidar, dass er einen Bypass habe machen lassen. So einfach, wie es da klingt, ist solch eine Entscheidung aber sicher nicht, auch nicht für ihn. Er ist nicht mehr der jüngste und die 180 kg, mit denen er ins Rennen gegangen ist, sind auch nicht gerade der untere Gewichtsbereich der Patienten, die wir operieren. Umso besser, dass alles so gut geklappt hat; denn nun erzählt “Calli“ medienwirksam von seinem Gewichtsverlust und von seiner tollen neuen Lebensqualität. Diese Offenheit finden wir beeindruckend und für alle, die sich mit dem Gedanken an einen solchen Schritt tragen, sehr hilfreich und ermutigend.
Man sollte aber auch eine kleine Bemerkung, die Herr Calmund in den Gesprächen einfließen lässt, nicht übersehen: „Ich hätte das viel eher machen sollen“. Nicht selten treffen wir Patientinnen und Patienten, die sich schon einmal konkret mit der Möglichkeit einer operativen Behandlung auseinander gesetzt haben, dann entscheiden, dass sie es allein versuchen wollen und 2 Jahre später mit 10 kg mehr wiederkommen, um sich dann doch auf die Operation vorzubereiten. Ich will nicht sagen, dass das zwei verlorene Jahre sind, aber zumindest hätte das Leben in dieser Zeit schon so viel leichter sein können.
Ich möchte aber auch noch auf einen anderen Aspekt von “Callis“ Berichten eingehen. 90 kg Gewichtsverlust - damit ist er halbiert. Die meisten Patienten könnten gar nicht so viel abnehmen, ohne untergewichtig zu werden. Aber was, wenn das Ausgangsgewicht doch so hoch ist wie bei Herrn Calmund? Kann man den gleichen Erfolg erwarten? Oder kann jeder erwarten, dass er in den Bereich des Normalgewichts (BMI unter 25) gelangt? Oder gab es für Herrn Calmund einen “Prominenz-Bonus“, eine besonders raffinierte, aufwändige oder teure Operation?
Ich behaupte mal: Weder - noch. Weder kann man in jedem Fall einen solch großen Gewichtsverlust erwarten, noch kann man an den bekannten Operationskonzepten so viel drehen, dass in jedem Fall 90 kg Gewichtsverlust resultieren. Vielmehr kann man einen Gewichtsverlust von ca. 30% bis 35% des Gesamtgewichts oder 70-80% des Übergewichts fast allen Fällen voraussagen. Dass das dann manchmal überschritten wird und das Gewicht sogar halbieren werden kann, ist zwar ein schöner zusätzlicher Erfolg, aber nicht plan- oder vorhersehbar.
Falsche Erwartungen führen zu Enttäuschungen. Deshalb ist es uns wichtig vor einer Operation mit der Patientin oder dem Patienten zu besprechen, was sie oder er erwarten kann. Das kann der Verlust von mehr als der Hälfte des Körpergewichts sein, aber darauf gibt es keine Garantie. Erwarten kann man mindestens 30% Gewichtsverlust und eine Garantie gibt es darauf, dass wir mit im Boot sind und uns bemühen mit dem Patienten und der Patientin Mittel und Wege zu finden, falls dieses Ziel einmal nicht erreicht wird.
Real ist aber auch, dass man dieses Problem in Angriff nehmen kann und dass die schwere Adipositas kein unveränderliches Lebensschicksal darstellt. Man kann es aber – und da ist “Calli“ auch wieder gutes Beispiel – nicht allein schaffen. Der Weg lässt sich nur meistern in Zusammenarbeit mit den Fachleuten eines Adipositaszentrums. Sie erarbeiten mit dem Patienten oder der Patientin einen Plan, nach dem vorgegangen wird. Die Operation erfolgt dann frühestens in einem halben Jahr. Der Erfolg, der sich aber dann einstellen wird, ist kein Zufall, sondern wird immer folgen.
Nur den ersten Schritt auf diesem Weg müssen Sie allein tun, sich nämlich an ein Adipositaszentrum wenden. Danach geht es gemeinsam weiter.