Montag, 14.02.2022

Was ist eigentlich Übergewicht?

Corona beherrscht seit einigen Monaten die Schlagzeilen der Gesundheitsberichterstattung in den Medien wie kein anderes Thema und hat damit die Debatte um Übergewicht, Adipositas und Diabetes verdrängt. Nicht ganz jedoch; denn immer mal wieder ist von den Risikofaktoren die Rede, die zu einem schweren Verlauf führen können. Das sind dann genau diese Probleme, die im Hintergrund eine große Rolle für die Erkrankungsschwere spielen.

Ab wann aber ist man übergewichtig oder adipös? Und wie unterscheidet sich das? 

Schauen wir doch mal an, wie es überhaupt jemals dazu kam, Gewichtskategorien aufzustellen, die gesund und ungesund sein sollen.
Die Einteilungen, mit denen wir heute umgehen, sind schon relativ alt und stammen sogar aus dem vorletzten Jahrhundert.

Der Belgier Adolphe Quetelet entwickelte 1872 ein Klassifizierungssystem aus Körpergröße und Gewicht, mit dem er aber rein statistisch-mathematische Interessen verband.  In den 40er und 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts interessierten sich allerdings Versicherungsgesellschaften in den USA für diesen Wert, um das Risiko bei Abschluss von Lebensversicherungen abschätzen zu können. Erst 1972 entstand der Begriff „Body Mass Index“. Die WHO führte ihn 1980 ein und erst seit 1995 wird er exakt in der heutigen Klassifikation verwendet.

Die Berechnung erfolgt nach der Formel: Gewicht (kg) / Körpergröße (m) x Körpergröße (m)

Der Wert der dabei herauskommt, liegt sehr selten unter 20, aber kann auch mal mehr als das dreifache ausmachen.  Die Einteilung ist den meisten bekannt, aber sei der Vollständigkeit halber hier noch einmal aufgeführt.

  • Unter 19,9  Untergewicht                  
  • 20-24,9      Normalgewicht
  • 25- 29,9     Übergewicht
  • 30- 34,9     Adipositas Grad 1
  • 35-39,9      Adipositas Grad 2
  • Über 40     Adipositas Grad 3

Fatalerweise haben nur die Versicherungsmathematiker herausgefunden, dass jeder Punkt über 25 Krankheits- und Sterberisiken vergrößert. Mit diesem Wert beginnt nämlich das Übergewicht, das mit einem höheren Risiko für eine große Anzahl verschiedener Erkrankungen und letztlich einen früheren Tod einhergeht. Die Vorstellung, dass ein mäßiges Übergewicht zur Nervenruhe beiträgt und das Leben verlängert, hat man da nicht bestätigt gefunden.

Was den eigenen Körper anbetrifft machen wir es mal nicht so theoretisch, sondern schauen Sie sich die folgenden Fragen an:

  1. Hatte ich vor 5 Jahren schon die gleiche Jeansgröße? Wieviel größer ist die erste Zahl heute
  2. Hat der Gürtel schwarze Streifen rechts von der Schnalle
  3. Passt mir der Hochzeitsanzug oder das Hochzeitskleid noch
  4. Kann ich auf dem Boden liegend ohne jede Hilfe meiner Hände aufstehen?
  5. Kann ich meine Füße sehen, wenn ich völlig aufrecht stehe und nur den Kopf neige
  6. Ist der Bauchnabel an der schmalsten Stelle meines Körpers

Wenn Sie mindestens 2 davon mit nein beantworten, lohnt es sich, mal den BMI zu berechnen. Liegt er über 25, aber unter 30, dann sind Sie übergewichtig. Immerhin sind Sie mit diesem Problem nicht gerade allein; denn in Deutschland sind 56% der Erwachsenen übergewichtig. Daraus kann man aber nicht ableiten, dass dies der Normalzustand sei, auch wenn man manchmal den Eindruck hat, das Kleidungsgröße M schwerer zu finden ist als XL.

Viele Menschen meinen, das bisschen zu viel an Gewicht sei ja allenfalls ihrer gut entwickelten Muskulatur geschuldet. Wenn das bei Ihnen so ist, dann müssen auf jeden Fall Frage 5 und 6 mit „ja“ beantwortet sein, also nicht Salino-, sondern V-Typ.

Leider ist es so viel einfacher Fett anzubauen als die Muskulatur zu entwickeln und dieser Prozess kann dann in eine Kategorie führen, in der ganz andere Fragen in den Vordergrund treten.

  1. Habe ich schon einmal einen Stuhl, den man mir angeboten hat, kritisch angesehen, ob er zusammenbrechen könnte, wenn ich mich darauf setze
  2. Habe ich schon einmal ein Problem damit gehabt, aus einem Stuhl mit Armlehnen wieder herauszukommen
  3. Habe ich ein Problem in öffentlichen Verkehrsmitteln, weil neben mir nur ein halber Platz übrigbleibt.
  4. Vermeide ich es, dass andere Menschen mich beim Essen sehen.
  5. Kann  ich meine Zehennägel selbst  schneiden
  6. Kann ich mein Gewicht noch auf der Personenwage zu Hause bestimmen
  7. Darf ich auf der Kirmes oder im Freizeitpark in allen Fahrgeschäften mitfahren
  8. Kann ich mir die Schuhe zubinden

Zwischen einer „Ja“-Antwort auf eine der letzten 8 Fragen und der Übergewichtklasse liegen meistens noch einmal 10 BMI-Punkte; denn die da angesprochenen Probleme sind typisch für Menschen mit einer drittgradigen oder „krankhaften“ Adipositas, die bei einem BMI von 40 anfängt.

Alle diese 4 Gewichtsklassen, Übergewicht und die drei Grade der Adipositas, die ja im Übrigen nichts anderes heißt als „Fettleibigkeit“, sind eigentlich zu viel. Aber was soll man tun, wenn einem Körper und Hirn immerfort sagen „Iss das, das tut Dir gut! Du brauchst die Energie“. Offenbar gibt es nur ein ganz kleines, völlig unterentwickeltes“ Areal im Gehirn, das leise dazwischen tönt „nein lass es“. Wenn es auch das Zeug hat, einem ein sehr schlechtes Gewissen zu machen, man kann es leicht überstimmen.

Was also kann man tun mit seinem Gewicht und gegen sein Gewicht? Die Antwort ist alles andere als einfach. An besten funktioniert es wahrscheinlich, wenn man über einige Wochen ein sehr ehrliches und vollständiges Ernährungsprotokoll schreibt und sich das dann mit zeitlichem Abstand mal anguckt. Hilfreich kann es auch sein, im Laufe eines Tages alles mit dem Handy zu fotografieren, was man isst und sich dann am Abend das Ergebnis anzuschauen. Das kann wirkungsvoller werden, wenn man eine Ernährungsberaterin zu Rate zieht.  Die kann einem vielleicht helfen, dem kleinen Stimmchen im Hirn mehr Nachdruck zu verleihen. Jeder Versicherte hat Anspruch auf eine Ernährungsberatung, man muss sie allerdings über eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse beantragen.

Auch sogenannte Formeldiäten, die man oft auch in Drogeriemärkten kaufen kann, können eine Hilfe sein. Aber auf lange Sicht wird die Sache sehr eintönig. Außerden besteht eine große Rückfallgefahr, wenn man wieder auf normale Nahrung wechselt.

Daneben kann man vielleicht an der anderen Schraube drehen, der körperlichen Bewegung. Hier ist eine erste Maßnahme vielleicht eine Fitnessuhr oder ein Schrittzähler auf dem Handy. Der sollte dann aber am Abend 8.000 bis 10.000 Schritte anzeigen, und das für jeden Tag. Darüber hinaus sind alle Sportarten hilfreich – nur: Es ist eine Lebensaufgabe. Man kann kein Sparkonto oder Aktien-Depot an sportlicher Aktivität anlegen und davon zehren, was man in seiner Jugend mal geleistet hat. Nur Regelmäßigkeit hilft.

Alle Maßnahmen aber erfordern an Ausdauer und Beharrungsvermögen so viel, dass es in der Regel nicht reicht, wenn das Gewicht von einem BMI von über 40 reduziert werden soll. Dann hilft in den meisten Fällen nur eine Operation, die für die eigenen Bemühungen dann eine sehr mächtige Unterstützung darstellt.  Liegen schwere Begleiterkrankungen vor, dann gilt die Operationsmöglichkeit schon von einem BMI von 35 an. 

Kommt eine solche Behandlung für Sie in Frage? Dann nehmen Sie mit uns Kontakt unter 02381 681 9188 auf!