Vestibularisschwannom (Akustikusneurinom)

Die Bezeichnung Akustikusneurinom (AN oder AKN) ist historisch begründet. Im Hinblick auf die anatomische Lage ist die Bezeichnung Vestibularisschwannom korrekter. Der Tumor liegt an dem Teil des 8. Hirnnervs, der Informationen vom Gleichgewichtsorgan an das Gehirn vermittelt und nicht an dem Teil, der für das Hören verantwortlich ist. Ein Vestibularisschwannom ist ein meist gutartiger Tumor, der aus der Nervenhülle (Schwannzellen) des oberen oder unteren Gleichgewichtsnerven (Nervus vestibularis) entsteht. Jährlich tritt etwas eine Neuerkrankung pro 100.000 Einwohner auf. Damit tritt das Akustikusneurinom eher selten auf. Daher erfolgen Beratung und Therapie vorzugsweise in spezialisierten Zentren, in die Patientinnen und Patienten regional, überregional und international überwiesen werden.

Symptome

Die klassischen Symptome sind Schwindel, Hörminderung und Tinnitus. Wenn die Tumoren groß sind, und den Hirnstamm erreichen (Abb.2 a, b), können Taubheitsgefühl im Gesicht, eine Gesichtsnervenlähmung, Koordinationsstörungen und eine Halbseitensymptomatik auftreten. Wächst der Tumor weiter (Abb.2 c), kann es schließlich zu einer Behinderung der Nervenwasserzirkulation (Verschlußhydrozephalus) kommen. Der hierdurch bedingte steigende Hirndruck führt zu Kopfschmerzen, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen bis hin zu einer lebensbedrohlichen Situation.

Diagnostik

Die vollständige Diagnostik umfasst außer einer gründlichen Erhebung der Krankengeschichte und einer umfassenden klinischen Untersuchung weitere spezielle Untersuchungen, um die genaue Lage und Größe des Tumors zu bestimmen (Reintonaudiogramm, Sprachdiskriminationstest, akustisch evozierte Potenziale (AEP), MRT (Magnetresonanztomographie) mit Kontrastmittel, hochauflösendes CT des Knochens der hinteren Schädelgrube und des Felsenbeins (Abb.3), Echokardiographie mit Bubble-Test zum Ausschluss eines PFO (falls OP in halbsitzender Position)

Therapie

Abhängig von der klinischen Beschwerdesymptomatik, der Größe des Tumors, des Alters und der Präferenz der Patientin/des Patienten gibt es drei mögliche Vorgehensweisen:

a)    Beobachtung mit regelmäßigen bildgebenden Verlaufskontrollen

Bei kleinen Tumoren empfehlen wir im Allgemeinen zunächst eine MR-Verlaufskontrolle durchführen zu lassen. Die erste Kontrolle sollte nach 6 Monaten erfolgen Bei unveränderten klinischen und bildgebenden Befunden können dann die Kontrollintervalle verlängert werden.

b)    Strahlentherapeutische Behandlung

Verschiedene strahlentherapeutische Optionen stehen zur Behandlung von Vestibularisschwannomen zu Verfügung. Durch die Planung der Strahlendosisverteilung sollen die angrenzenden Nervenstrukturen geschont werden. Das Verfahren wird üblicherweise für Tumoren eingesetzt, die einen Durchmesser von weniger als 2 cm aufweisen. Durch die Behandlung kann mittelfristig eine Größenabnahme erreicht oder zumindest das weitere Größenwachstum aufgehalten werden. Für ältere Patientinnen und Patienten mit kleinen Tumoren, Resttumoren oder Patientinnen und Patienten, die Kontraindikationen für eine Operation aufweisen stellt dieses Verfahren unserer Meinung nach eine sinnvolle Behandlungsoption dar.*

c)    Mikrochirurgische Operation

Die Operation kann über unterschiedliche Zugangswege erfolgen. In unserer Klinik erfolgt die Operation über eine Öffnung am Hinterhaupt. Ab diesem Punkt erfolgt die Operation mit Hilfe des Operationsmikroskops. Die Operation erfolgt unter einer permanenten Überwachung der Hörnerven- und Gesichtsnervenfunktion. Die Operation erfolgt entweder in Rückenlage oder in halbsitzender Position.

Mögliche Komplikationen der Operation umfassen unter anderem allgemeine Risiken wie eine Blutung, Nachblutung, Infektion, Thrombose, und (Luft-)Embolie sowie spezifische Risiken eines Hörverlustes auf der betroffenen Seite, (vorübergehende) Gesichtsnervenlähmung und einen Nervenwasserfluss aus der Nase. In der Regel verläuft die mikrochirurgische Operation komplikationslos und die behandelten Patientinnen und Patienten sind sehr zufrieden mit dem erzielten Ergebnis. Wenn eine Schwäche des Gesichtsnerven postoperativ auftritt, beginnt das physiotherapeutische Team umgehend mit gezielten Übungen.

 

*Ergänzung zur Strahlentherapie

Die Strahlentherapie des Akustikusneurinoms: Allgemeine Aspekte, primäre oder sekundäre Therapie

Unter Strahlentherapie versteht man der Einsatz von Röntgen-/Gamma-/Elektronen-/ Ionenstrahlen zur gezielten Zerstörung von Tumorzellen. Unter Radiochirurgie versteht man den einmaligen und gezielten Einsatz von Röntgen-/Gamma-Strahlung zur Zerstörung von Tumorzellen. Dazu werden spezialisierte Bestrahlungsgeräte eingesetzt:

  • Gamma Knife:
    Vorteile: schnellste Anwendung, einfachste Bedienung
    Nachteile: nur Kopfbestrahlung möglich, höchste Genauigkeit nur mit Rahmen möglich
  • Cyber Knife:
    Vorteile: ideal für Rückenmarksbestrahlungen, ideal bei komplexer Anatomie
    Nachteile: längere Bestrahlungszeiten, höhere Kosten, regelmäßige Kalibrierungen wartungsanfällig
  • Linear Beschleuniger - LINAC:
    Vorteile: mehrere Indikationen, Präzise rahmenlose Anwendung
    Nachteile: längere Bestrahlungszeiten, höhere Kosten, wartungsanfällig

Die Behandlungsziele sind Tumorkontrolle, Funktionserhaltung der Gesichtsnerven, Hörnerven und Gleichgewichtsnerven. Nach Ergebnis der bildgebenden Untersuchungen wird eine Tumorkontrolle in 88% der Fälle durch die Strahlentherapie erreicht. Betrachtet man die Symptome der Patienten kann die Tumorkontrolle sogar in 95% der Fälle beschrieben werden.

Nebenwirkungen

7% der behandelten Tumoren zeigen eine sogenannte Pseudoprogression bis 3 Jahren nach der strahlentherapeutischen Behandlung. Das bedeutet, dass in dem bestrahlten Gewebe beispielsweise entzündliche Prozesse auftreten können und damit auch Ödeme. Potentielle Nebenwirkungen sind darüber hinaus Hörminderung (28%), Tinnitus (50%), Gleichgewichtsstörungen (28%). Patienten, die ein weiteres Tumorwachstum zeigen, können entweder mikrochirurgisch versorgt werden oder erneut bestrahlt werden. Die Radiochirurgie ist ein effektives und risikoarmes Verfahren. Der Erfolg hängt von der Erfahrung und dem Wissen des Behandlers über die jeweilige Technologie ab. Radiochirurgie ist besonders geeignet bei älteren Patienten mit kleinen (wachsenden) Vestibularisschwannomen.

Weiterführende Informationen

Vereinigung Akustikus Neurinom e.V. (VAN), www.akustikus.de

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